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Backes Die Geschichte der Gemeinde

Hahn im Taunus

von seinen Anfängen bis zur Stadtgründung Taunusstein 1971






Jägerheim Eiserne_Hand Aarstraße












Jüdische Einwohner in Hahn






Wenn von dem Schicksal der Jüdischen Cultusgemeinde von Wehen gesprochen wird, wird allgemein davon ausgegangen, dass es sich um jüdische Einwohner von Wehen handelt. Dem ist aber nicht so. Zur Jüdischen Cultusgemeinde von Wehen (deren Entstehung bis in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurückgeht) gehörten auch Einwohner anderer Orte, wie Hahn oder Bleidenstadt. So wohnten in Hahn 1924 8 jüdische Einwohner, die Mitglieder der Cultusgemeinde waren. Bekannt sind:
  • Sigismund Levy (geb. 1875 in Oberbieber, gest. 1934 in ?) verheiratet mit Caroline Nassauer, wohnhaft in Hahn, Aarstraße 145
  • Caroline Nassauer (geb. 1880 in Wehen, gest. 1942 in Auschwitz), Tochter von Ferdinand Nassauer und Mina Frank, wohnhaft in Hahn, Aarstraße 145
  • Ludwig Levy (geb. 1905 in Oberbieber, gest. 1945 in Buchenwald), Sohn von Sigismund Levy und Caroline Nassauer, wohnhaft in Hahn, Aarstraße 145
  • Isidor Nassauer (geb. 1884 in Wehen, gest. 1941 in Minsk /Ghetto) verheiratet mit Lina Loeb (geb. 1891, gest. 1941 in ?), zeitweise wohnhaft in Hahn, vermutlich auch in Aarstr. 145

Das Schicksal der jüdischen Familien und Mitglieder der Cultusgemeinde ist deshalb auch ein wesentlicher Bestandteil der Geschichte von Hahn. Leider fand dieser Umstand in der Vergangenheit zu wenig Beachtung .
 
Cultusgemeinde bis 1933

Mit den Marktrechten für Wehen hatte Graf Gerlach anno 1323 vom Kaiser auch das "Judenrecht" erhalten. Die Juden galten als Fremdlinge, als "Kaiserliche Kammerknechte", die unter dem Schutz des Kaisers standen. Sie durften ohne kaiserliche Erlaubnis nicht aus ihren zugewiesenen Wohnorten ziehen. Jeder Jude, ob Mann oder Frau, musste vom 13. Lebensjahr an dem Kaiser jährlich das Kopfgeld zahlen. Diese Judensteuer floss in die Taschen der Grafen von Nassau. Sie hatten daher ein nicht geringes Interesse an den Juden. So kam es, dass Graf Gerlach sie auch in Wehen und anderen Orten ansiedelte, wo sie als Händler (andere Berufe waren ihnen nicht gestattet) den Handel in Schwung brachten. Überwiegend war es viehhandel, einige hatten auch Landwirtschaft.


Die allgemeinen Judenverfolgungen 1329 und 1346-1349 fanden in Wehen nicht statt, weil hier die Juden von der Herrschaft geschützt wurden.  

Überlieferte Nachrichten und Dokumente zur jüdischen Gemeinde zu Wehen sind bis in 18. Jahrhundert nur recht spärlich vorhanden. Bekannt ist aber, dass Graf Gerlach I. berechtigt seit 1329 berechtigt war, Juden in Wehen anzusiedeln. Verbunden damit war auch die Erlaubnis, einen eigenen Friedhof (
der einer der ältesten jüdischen Friedhöfe Südhessens ist) anzulegen. Für das Recht auf einen eigenen Friedhof mussten die Juden allerdings jährlich 15 Gulden an die Landesherrschaft zahlen.

Erst im 18. Jahrhundert lassen sich jüdische Bewohner wieder in der Stadt Wehen nachweisen. 1713 stellte Fürst Georg August einem "Nathan, Jude zu Wehen", einen Schutzbrief aus. Mitte des 18. Jahrhundert lebten mehrere jüdische Familien in Wehen. Einige Aufregung bereitete 1753 die Taufe von drei jüdischen Personen aus Niedernhausen in Wehen (Jakob, Gumbel, Sarah Isaak). Die Taufe der Jüdin Rebekka aus Dotzheim wurde 1756 allerdings durch die jüdischen Einwohner in Wehen verhindert.


Vom 19. Jahrhundert  sind wesentlich mehr und auch aufschlussreiche Nachrichten erhalten geblieben. Aus den Erlassen und Verfügungen ist zu erkennen, dass auch die Wehener Juden von der toleranten Haltung der Regierung profitierten. Überlieferte Schriftwechsel zeigen, dass um 1842 die jüdische Gemeinde vor einer inneren Zerreißprobe stand. Zur Wehener Cultusgemeinde gehörten die in Bleidenstadt später die in Hahn und kurzzeitig auch die Kemeler Juden, die später Bad Schwalbach (bis 1929 Langenschwalbach) zugeschlagen wurden. Briefe des Cultusvorstandes Levi Simon von 1841/42 belegen, dass sich die Bleidenstädter Juden selbständig machen wollten und kurzzeitig ein eigenes Betzimmer unterhielten, was gegen die jüdische Gottesdienstordnung verstieß und den Wehener Gottesdienst unmöglich machte, da die geforderte Personenzahl nicht zusammenkam.

Für das Jahr 1841 gibt es zahlreiche interessante Dokumente: Es wurde verfügt, dass alle Juden feststehende, vererbliche Familiennamen annehmen mussten. Diese Liste ist erhalten geblieben, hierin kommen auch zum ersten Mal die Namen Nassauer und Simon für Wehen und Kahn für Bleidenstadt vor. Aus diesem Jahr stammen auch die erhaltenen Instruktionen für den Gottesdienst und das Begräbnis in Wehen. aus dem "Wochenblatt für die Ämter Langenschwalbach, Idstein, Nastätten und Wehen" von 1841 geht hervor, dass "Moses Nassauer" dort als Metzger tätig war. Die beruflichen Betätigungen der anderen Juden sind nicht näher zu bestimmen, es wird jedoch anzunehmen sein, dass sie in der Hauptsache Händler und Metzger waren.

Die Cultusrechnung von 1882/83 der jüdischen Gemeinde Wehen zeigt, dass die Mitglieder Beziehungen zu den Gewerbebetrieben am Ort unterhielten. Die Hebelisten für die Beiträge der einzelnen Gemeindemitglieder machen deutlich, dass alle Forderungen an die Cultusgemeinde gemeinsam beglichen wurden, zudem gab es häufiger freiwillige Zahlungen. Die Steuerlisten für die Jahre 1886/87 und 1919 zeigen deutlich, dass die Juden der Gemeinde Wehen wie ihre christlichen Nachbarn regelmäßig die fällige Staatssteuer entrichteten. Die Steuerliste von 1890 gibt über die Berufstätigkeit der Juden in Wehen (Händler und Metzger) und Bleidenstadt (Metzger und Krämer) Auskunft.

Zum religiösen Gemeindeleben aus dieser Zeit ist kaum etwas bekannt, doch wird häufig darauf hingewiesen, dass 1753 zwei Juden zum christlichen Glauben übergetreten sind, 1756 eine weitere christliche Taufe einer Jüdin von ihren Glaubensgenossen verhindert wurde.

Um 1770 wollte ein Bleidenstädter Jude getauft werden, er soll jedoch kurz vor dem Termin spurlos verschwunden sein. Man sprach davon, er sei von Glaubensgenossen beseitigt worden, da mehrere Glaubensübertritte für den Zusammenhalt der Juden in Wehen und Umgebung abträglich gewesen wäre.

Die Synagoge in Wehen soll um 1800 errichtet worden sein, sie verfügte über 24 Männerplätze im Parkett und 16 Frauenplätze in der Empore. Bei der Synagoge handelte es sich um ein zweigeschossiges, schlichte Gebäude und befand sich etwa im Bereich der Weiherstraße 15.

Neben der Synagoge bestanden an jüdischen Einrichtungen eine Schule (Religionsschule), ein rituelles Bad und der bereits genannte Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war - zumindest zeitweise in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts - ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet (Schächter) tätig war. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk in Wiesbaden.

Bereits einige Jahre vor 1938 wurde auf Grund der zurückgegangenen Zahl der jüdischen Gemeindemitglieder keine oder kaum noch Gottesdienste in der Synagoge in Wehen abgehalten.

Zur Größe der jüdischen Cultusgemeinde Wehen ist bekannt:

    1843     26 Juden
    1871     43 Juden
    1874     46 Juden
    1885     26 Juden
    1895     33 Juden
    1905     22 Juden
    1933     19 Juden
    1939     gab es in Wehen nur noch 8 jüdische Einwohner

Zur Gemeinde Wehen gehörten auch die in Hahn (1924: 8) und Bleidenstadt (1843: 17, 1905: 6, 1924: 5) lebenden jüdischen Personen.

Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Julius Nassauer und Moritz Nassauer, beide Sohne von Simon Nassauer. Noch ein weiterer Sohn von Simon Nassauer soll im Krieg gefallen sein. Bei der dritten Todesnachricht nahm sich Simon Nassauer das Leben.

Wohnten 1924 noch 8 jüdische Personen in Hahn, waren 1933 schon keine jüdischen Einwohner mehr in Hahn sesshaft. Leider gibt es keine näheren Erkenntnisse, wie die Familiennamen waren und was aus den Personen wurde. Es darf aber angenommen werden, dass die jüdischen Einwohner weggezogen sind, zumindest werden im Gedenkbuch "Opfer der Verfolgung der Juden unter der Nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945" lediglich Familiennamen aus Wehen (Linda Abrahamsohn geb. Wilechberg, Clothilde Adler geb. Nassauer, Rosa Liebenthal geb. Simon, Ferdinand Nassauer, Isidor Nassauer, Jakob Nassauer geb. Simon, Rosa Nassauer, Siegfried Nassauer, Emma Schönberg geb. Nassauer, Clothilde Schrank geb. Simon, Amalie Emma Simon, Gerda Simon, Karl Simon, Max Simon) und Bleidenstadt (Jenny Wolf geb. Kahn, geboren 1882) aufgeführt.


1933 lebten in Wehen die Familien Alfred Nassauer, Viehhändler (3 Personen), Otto Nassauer (27.6.1887 Wehen - Juni 1973 New York), Viehhändler (3 Personen), Siegfried Nassauer, Händler und Metzger (4 Personen) und Moritz, Händler (4 Personen).

In Bleidenstadt lebte Familie Kahn. In den folgenden Jahren ist ein Teil der jüdischen Gemeindemitglieder auf Grund des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen, beziehungsweise ausgewandert. Die Familie Kahn in Bleidenstadt gab 1935 ihr Haus in der Stiftstraße, Hof und die Äcker am Ort auf, um mit einer geschlossenen Gruppe von insgesamt 20 Jüdischen Landwirten nach Argentinien auszuwandern und dort eine JCA-Siedlung (JCA = Jewish Colonization Association) aufzubauen. Der Präsident dieser Auswanderergruppe war Salli Kahn.

Die Jüdische Gemeinde Wehen unter Nationalsozialistischer Herrschaft

Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 brachte zunächst im Zusammenleben der hiesigen jüdischen Bevölkerung mit den Einheimischen in den Gemeinden Bleidenstadt, Wehen und Hahn keine tiefgreifenden Veränderungen. Wohl wurden auch hier SA-Trupps gegründet, traten Menschen in die NSDAP ein, wurden Versammlungen abgehalten und dort antisemitische Reden gehalten - vordergründig betrachtet blieb dies aber ohne nennenswerten Einfluss auf die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung, "die Juden fielen nicht sonderlich auf, man lebte miteinander" (Worte eines einheimischen Zeitgenossen), die jüdische Bevölkerung lebte Anfang der 30er Jahre in der Hauptsache vom Viehhandel und dem Metzgerhandwerk, nebenbei unterhielten sie wie die übrigen Bewohner eine kleine Landwirtschaft. Dadurch war natürlich der Kontakt zu den Bewohnern vielfältig, auf geschäftlicher Ebene kam es gelegentlich zu Unstimmigkeiten, die jedoch zu keinen nennenswerten antijüdischen Reden führten.

Dies klingt zwar nach einer "heilen Welt", die es aber sicher nicht gab. Bezeichnend für den beginnenden Antisemitismus auch unter der Bevölkerung ist das Verhältnis der Kinder untereinander. Zeitgenossen wissen zu berichten, dass Raufereien zwischen jüdischen Kindern und den Einheimischen etwas anders waren als die üblichen Prügeleien unter der Jugend. Die Auseinandersetzungen wurden nicht selten mit Rufen wie "da ist der Jud" oder "heut ist der Jud frei" begonnen, was deutlich macht, dass es nicht um die Person ging, sondern um die jüdische Minderheit, die der betreffende Junge repräsentierte. Dies betraf selbstverständlich nicht alle Kinder und Jugendliche, dennoch zeigt sich, dass in einigen Familien der von "oben" gesteuerte Antisemitismus auf fruchtbaren Boden fiel, noch nicht offen aufbrach, jedoch schon von den Kindern in ihren Reaktionen gegen jüdische Kinder deutlich wurde.

So war es nicht verwunderlich, dass die jüdischen Familien, soweit sie den Geist der Zeit richtig beurteilten, versuchten, ins Ausland auszuwandern. Als Aufnahmeländer kamen dabei die Nachbarländer Schweiz und Frankreich sowie Polen in Betracht, daneben die USA und Argentinien. Wie die Erfahrungen später zeigten, blieben nur die Juden vom NS-Terror verschont, die den Sprung über den "Großen Teich" wagten, in den europäischen Nachbarländern wurden sie nach Ausbruch des 2. Weltkrieges vom Judenhass eingeholt und sind diesem doch noch zum Opfer gefallen. In den Ländern, die sich zur Aufnahme von ausreisewilligen Juden entschlossen hatten, wurden diese nicht unbedingt mit "offenen Armen" aufgenommen, häufig wurde die Einreise nur erlaubt, wenn die Juden ausreichendes Vermögen nachweisen konnten.

Die in Bleidenstadt ansässige Familie Kahn (Sally, Rosa, Albert und Margarethe Kahn) wanderte bereits 1933 nach Argentinien aus, noch vor 1938 verließ Otto Nassauer mit Familie (Selma und Alex Kahn) Wehen und fand in den USA eine neue Heimat, ebenso Eleonore Simon aus Wehen. Clothilde Schrank aus Wehen beging vor dem Eintreffen der Gestapo Selbstmord. Wie erhaltene Schriftwechsel und Akten aus dem Stadtarchiv Taunusstein zeigen, war die geplante Auswanderung für die jüdischen Familien mit großen Problemen verbunden. Nachdem der Antrag auf Ausstellung von Reisepässen den Behörden zugegangen war, wurden die betreffenden Familien von der Gestapo (geheime Staatspolizei) überwacht um, wie es in der Behördensprache hieß, Steuer- und Kapitalflucht zu verhindern. Innerhalb kurzer Zeit mussten sie für Grundbesitz und Hausrat Käufer finden, alles, was nicht mitgenommen werden konnte, musste zu Geld gemacht werden, um sich im Ausland eine neue Existenz ermöglichen zu können.

Die Kaufinteressenten wussten selbstverständlich um die Zwangslage der Juden, man drückte den Preis und erwarb vieles für den Bruchteil des eigentlichen Wertes. Erhaltene Archivakten zeigen, wie der gesamte Besitz einzelner jüdischer Familien in vielen Teilen zerrissen wurde, viele Dorfbewohner hatten am Ausverkauf Anteil, selbst der jüdische Friedhof erweckte das Kaufinteresse mit der Begründung, "er würde nun, nach 1942, als alle jüdischen Einwohner deportiert waren , nicht mehr benötigt". Glücklicherweise kam der Kauf nicht zustande, die Gründe sind unbekannt.

1939 wurden noch acht jüdische Einwohner in Wehen gezählt. Von ihnen wurden 1941 Jakob, Siegfried und Rosa Nassauer sowie das Ehepaar Karl und Gerda Simon mit ihrem Kind deportiert. Die nichtjüdisch verheiratete Clothilde Schrank, geb. Simon starb am 24. März 1943 an Suizid, um der Deportation zu entgehen.

Die Familie Nassauer aus Wehen

Wohnhaus Familie Nassauer
Wohnhaus der Familie Nassauer, Weiherstraße 3 (Aufnahme: 1925)




Ferdinand Nassauer (1853 - 1906) Isidor Nassauer (1884 - 1941);
Sohn von Ferdinand Nassauer
Jacob Nassauer (1883 - 1929);
Sohn von Ferdinand Nassauer


Aus der Cultusgemeinde Wehen starben in Konzentrationslagern (oder wählten den Freitod):

  • Nassauer, Siegfried; geb. 19.5.1885 (Wehen) - am 11. 6. 1942 Deportation, Maydanek oder Sobibor; zuletzt wohnhaft: Wehen
  • Nassauer geb. Kahn, Rosa (Ehefrau von Siegfried Nassauer); 28.6.1884 (Kettenbach) - am 11.6.1942 Deportation,    Sobibor,Vernichtungslager; zuletzt wohnhaft: Wehen
  • Nassauer, Isidor; geb. 23.9.1884 (Wehen) - am 10.11.1941 Deportation, Minsk, Ghetto; zuletzt wohnhaft: Düsseldorf
  • Nassauer, Jakob; geb. 24.10.1895 (Wehen) - am 11.6.1942 Deportation, Maydanek KZ - gest. 10.7.1942; zuletzt wohnhaft: Wehen
  • Nassauer geb. Simon, Josefine; geb. 24.7.1857 (Wehen) - am 1.9.1942 Deportation, Theresienstadt, Ghetto, gest. 18.9.1942;  zuletzt wohnhaft: Wehen
  • Nassauer, Ferdinand; geb. 02.2.1872 (Wehen) - gest.18.9.1872, Deportation, Theresienstadt, Ghetto; zuletzt wohnhaft: Frankfurt
  • Nassauer, Alfred; geb. 5.3.1898 (Wehen) - 18.6.1938 Deportation, Buchenwald; Schicksal unbekannt: es gab Vermutungen, dass er Deutschland verlassen konnte; zuletzt wohnhaft: Hannoversch-Münden, wo er Sicherheit erhoffte
  • Nassauer, Ruth (Tochter von Alfred Nassauer); geb. 1931 - am 20.7.1942 zusammen mit Mutter Deportation ins Sammellager Ahlem bei Hannover - verschollen im Konzentrationslager Auschwitz; zuletzt wohnhaft: Hannoversch-Münden
  • Nassauer, Caroline; geb. 16.2.1880 (Wehen) - am 10.10.1942 Deportation , Auschwitz, Birkenau; zuletzt wohnhaft: Belgien
  • Schönberg geb. Nassauer,  Emma; geb. 21.1.1891 (Wehen) - am 11.6.1942 Deportation, Sobibor, Vernichtungslager zuletzt wohnhaft: Welterod 
  • Adler geb. Nassauer, Clothilde; geb. 26.5.1882 (Wehen) - am 24.5.1942 Deportation, Izbica Ghetto; zuletzt wohnhaft: Wehe
  • Simon, Amalie Emma; geb. 15.1.1889 (Wehen) - 1943 deportiert mit unbekanntem Ziel; zuletzt wohnhaft: Bad Schwalbach
  • Simon, Gerd; 1941 deportiert mit unbekanntem Ziel; zuletzt wohnhaft: Wehen
  • Simon Karl; geb. 30.1.1896 (Wehen) - Inhaftierung Nov. 1938, Buchenwald, Konzentrationslager; am 11.6.1942 Deportation, Maydanek oder Sobibor; zuletzt wohnhaft: Wiesbaden
  • Simon, Karl; geb. 11.3.1942 (Wehen) - am 11.6.1942 Deportation, Maydanek oder Sobibor; zuletzt wohnhaft: Wiesbaden
  • Simon, Max; geb. 30.8.1874 (Wehen) - am 23.10.1942 Deportation, Dachau, Konzentrationslager; zuletzt wohnhaft: Wiesbaden
  • Liebenthal geb. Simon, Rosa; geb. 1.5.1873 (Wehen) - gest. 15.11.1941 (Freitod); zuletzt wohnhaft: Leipzig
  • Hirsch geb. Simon, Johanna; geb. 17.8.1851 (Wehen) - am 28.4.1938 Emigration Niederlande - am 7.5.1943 Deportation Westerborg, Sammellager; zuletzt wohnhaft: Niederlande
  • Schrank geb. Simon, Chlotilde; geb. 19.2.1872 (Wehen) - gest. 24.3.1943 (Freitod); zuletzt wohnhaft: Wehen
  • Abrahamson geb. Wilechberg, Linda;  geb. 20.12.1906 (Wehen) - Emigration Frankreich - 9.9.1942 Deportation, Auschwitz, Vernichtungslager; zuletzt wohnhaft: Frankreich
  •  Siemiatyki, Liba; geb. 1904 (Wehen)

Nach heutigem Erkenntnisstand haben überlebt:
  • Nassauer, Otto; geb. 27.6.1887 (Wehen) - gest. Juni 1973 (New York); war in die USA geflüchtet
  • Nassauer,  Alex;  geb. 23.7.1920 (Wehen) - gest. Aug. 1987 (New York); war in die USA geflüchtet


Die Thorarollen und Kultgegenstände werden vergraben

Als die Verfolgung der Juden durch die Nationalsozialisten immer offenkundiger wurde, haben die Wehener Juden ihre Thorarollen und andere Kultgegenstände in Kisten verpackt und im Schlossgraben vergraben. Das ist verbürgt durch die Schilderung von Augenzeugen. Üblicherweise "begraben" die Juden nicht mehr gebrauchsfähige Thorarollen; in diesem Fall war die Sachlage eine andere. Noch lebende Zeitzeugen glauben auch heute noch zu wissen, wo ungefähr das "Versteck" ist, wollen aber aus Respekt keine Ausgrabungen "provozieren". Unabhängig davon dürfte es sich auch nicht um hohe materielle Werte handeln, war die Wehener Cultusgemeinde doch von jeher eher nicht so reich begütert.

 
Die Reichskristallnacht in Wehen

Im Jahre 1938 brach der Antisemitismus auch in Wehen offen aus, es kam zu massiven antijüdischen Übergriffen von Seiten der Bevölkerung. Von zeitgenössischen Augenzeugen wird berichtet, dass der Jude Karl Simon mit einem Holzstück um den Hals unter Trommelwirbel durch die Straßen von Wehen getrieben wurde, weil er beschuldigt worden war, ein "arisches" Dienstmädchen belästigt zu haben.

Am 9. November 1938, dessen Nacht als Reichskristallnacht traurige Berühmtheit erlangt hat, zerstörte ein SA-Trupp unter anfeuernden "Hau-Ruck-Rufen" der Dorfbewohner die um 1800 erbaute zweigeschossige jüdische Synagoge in Wehen, die nicht wie viele andere an diesem Tag in Flammen aufging, sondern von Hand zerstört wurde. So die in den Polizeiprotokollen niedergeschriebene Version. Es darf jedoch angezweifelt werden, ob dies auch der Wahrheit entspricht und nicht doch auch Einheimische an der Zerstörung zumindest beteiligt waren.Das neben der Synagoge gelegene Haus der Familie Siegfried Nassauer blieb dabei nicht verschont, Wohnung und Laden wurden zertrümmert.
Synagoge (rechts) mit dem Haus der Familie Nassauer (links)


Die aufgebrachte Menge drang in das Anwesen ein und zerstörte die gesamte Inneneinrichtung. Die sich im Haus befindlichen Bewohner, Rosa, Josephine und Jakob Nassauer, mussten fliehen und verbargen sich bis zum Einbruch der Dunkelheit am Ortsrand von Wehen am Bettelsmannbaum. Im Schutze der Nacht flohen sie dann in den Nachbarort Hahn, wo ihnen der Schneidermeister Wilhelm Ernst bis zum nächsten Tag Obdach gewährte und sie auch mit Kleidungsstücken versorgte, da sie nur recht spärlich bekleidet geflohen waren. Erst am Nachmittag des folgenden Tages wagten sie sich in ihr Haus nach Wehen zurück. Dort erfuhren sie, dass ihr Familienangehöriger Siegfried wie alle anderen männlichen Juden verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau gebracht worden war.

Der von seiner Arbeitsstelle aus Wiesbaden heimkehrende Siegfried Nassauer war zudem von dem heranrückenden SA-Trupp erkannt, vom Fahrrad gestoßen und durch Misshandlungen erheblich verletzt worden, bevor er verhaftet wurde.

Von Übergriffen auf die anderen jüdischen Häuser in Wehen und Hahn ist nichts bekannt, auch der jüdische Friedhof blieb offensichtlich von Verwüstungen verschont. Die nach Dachau verschleppten Juden kehrten nach einigen Tagen in ihre Heimatorte zurück, waren jedoch wie ihre Familienangehörigen immer stärker werdenden Diskriminierungen ausgesetzt. Selbstverständlich beteiligten sich nicht alle Dorfbewohner an den antijüdischen Ausschreitungen, die Mehrheit hatte insgeheim kein Verständnis für die in der Folgezeit aufkommenden "gesetzlich befohlenen" Diskriminierungen, einige unterstützten die jüdischen Familien, was aber in der Regel heimlich geschah.       


Lebensbedingungen der Juden von 1939 - 1942

Die Ereignisse des Jahres 1938 hatten der hiesigen jüdischen Bevölkerung deutlich gemacht, dass der Antisemitismus auch hier Anhänger gefunden hatte. Dadurch und nicht zuletzt durch die von dem NS-Regime in der Folgezeit verfügten antijüdischen Gesetze wurde das Leben für die religiöse Minderheit immer schwieriger, sie wurde auch in solch kleinen Gemeinden wie Hahn und Wehen zusehends isoliert.

Durch einen Erlass vom 30. April 1940 war die Auswanderungsfrist für die Juden allgemein auf den 1. Juni 1940 festgesetzt worden. Die Familie Nassauer, die in der Weiherstraße 3 wohnte, hatte sich schon Ende 1938 "bereiterklärt", bis zum 31. März 1939 auszuwandern. Siegfried Nassauer hatte sich ab dem 22. Dezember 1938 laut der Anweisung der Gestapo zweimal wöchentlich auf dem Wohnrevier (Bürgermeisteramt) zu melden. Diese Meldepflicht stand unter der ständigen Kontrolle , außerdem wurde angedroht, die Familie nach dem 31. März 1939 zu verhaften, falls keine Auswanderung erfolgt sein sollte. Mit Schreiben vom 4. April 1939 wurden Meldepflicht und Auswanderungstermin jedoch widerrufen, das Siegfried Nassauer nachweisen konnte, dass er als "Frontkämpfer" am 1. Weltkrieg teilgenommen hatte.

Dennoch muss er seine Auswanderung weiter betrieben haben, wie einem Schreiben des Landratsamtes Bad Schwalbach an das dortige Finanzamt zu entnehmen ist. Warum Siegfried Nassauer mit seiner Frau Rosa und seinem mit im Haushalt lebenden Familienangehörigen nicht mehr ausgewandert ist (Auswanderungsland war Ecuador in Südamerika), lässt sich nicht mehr feststellen. Sicher ist, dass er Käufer für sein Eigentum suchte, sicher ist auch, dass er auswandern wollte. Dennoch ist er in der "Liste der für Juden ausgestellten polizeilichen Erlaubnisscheine" mit einem gültigen Erlaubnisschein bis zum 30. Juni 1942 nachgewiesen, obwohl er zu diesem Datum schon nicht mehr in Wehen war. Aus diesem Schreiben des Wehener Bürgermeisters geht nämlich hervor, dass Siegfried und Rosa Nassauer vor dem 18. Juni 1942 "abtransportiert" wurden. Die  "Liste der für die Juden ausgestellten polizeilichen Erlaubnisscheine" weist nach dem 30. Juni 1942 keine weiteren Eintragungen mehr auf, so dass anzunehmen ist, dass nach diesem Tag in Wehen kein Jude mehr wohnhaft war.

Unter welch unmenschlichen Lebensbedingungen die jüdische Bevölkerung nach Beginn des 2. Weltkrieges zu leiden hatte, belegen eine Anzahl von Verfügungen, die im Stadtarchiv Taunusstein erhalten geblieben sind. So wurde den Juden mit Wirkung v. 5. Oktober 1939 untersagt, ab 20 Uhr die Straße zu betreten, zudem hatten sie ab diesem Tag selbst für Luftschutzraum zu sorgen.

Vom 1. September 1941 an war die Kennzeichnung der Juden und deren Wohnungen durch den Judenstern vorgeschrieben, ab dem 11. Dezember 1941 durften sie nur noch zu bestimmten Zeiten (mittwochs und samstags von 09 Uhr bis 10 Uhr) in bestimmten Geschäften einkaufen und nur noch bestimmte Handwerker beauftragen. Außerdem mussten sie "Zwangsvornamen" wie Israel oder Sarah annehmen.Nach dem 27. Mai 1942 wurde ihnen die Inanspruchnahme von Dienstleistungen der "Arischen" Friseure untersagt. Hinzu kamen Beschränkungen bei der Benutzung von Verkehrsmitteln, das verbot, die Heimatgemeinde ohne polizeiliche Erlaubnis zu verlassen, Ausschluss von der Zuteilung von Lebensmittelkarten für bestimmte Artikel und für Luxusgüter (so zum Beispiel für Tabakwaren).

Auch die jüdischen Geschäftsinhaber hatten unter vielfältigen Beschränkungen um ihre Existenz zu kämpfen, jüdischen Rechtsanwälten wurde die Berufsausübung ebenso untersagt wie jüdischen Lehrern und anderen jüdischen Akademikern, lediglich jüdischen Ärzten wurde die weitere Berufsausübung gestattet, allerdings durften diese nur jüdische Patienten behandeln, wie auch jüdische Kranke nur bei jüdischen Ärzten Hilfe erhielten, so mussten die Wehener und Hahner Juden zum Arztbesuch jeweils nach Wiesbaden fahren.


Das Ende der Jüdischen Kultusgemeinde Wehen

Die genauen Umstände der Ausrottung der Wehener Judengemeinde werden wohl für immer ungeklärt bleiben, mit Sicherheit kann man jedoch sagen, dass nach dem 30. Juni 1942 in Wehen und Hahn kein jüdischer Einwohner mehr gelebt hat. Es wird zwar verschiedentlich berichtet, dass im Jahre 1945 noch in Wehen von Einheimischen versteckt gehaltene Juden, die Zahl wird mit einem oder zwei Juden angegeben, verraten und deportiert worden seien, aber dies lässt sich nicht endgültig nachweisen. Falls an diesen Gerüchten ein Stück Wahrheit sein sollte, hat es sich sicher um auswärtige Juden gehandelt, die in Wehen Schutz gesucht hatten.

Zum Einzelschicksal der jüdischen Einwohner lässt sich zusammenfassend sagen:

Die Familien Kahn (Bleidenstadt) und Otto Nassauer (Wehen) wanderten rechtzeitig aus und entgingen dem Tod im KZ wie Eleonore Simon (Wehen), die Familie Alfred Nassauer (Wehen) versuchte sich durch Umzug nach Hannoversch.-.Münden zu retten, wurde aber dort verhaftet und starb in einem KZ, die Familien Isidor Nassauer und Levi (beide aus Hahn) wurden ebenso wie die Familie Siegfried Nassauer  und Jakob Nassauer (beide Wehen) verhaftet und in den KZ-Tod geschickt. Die Familie Moritz Simon wurde verhaftet, nach Wiesbaden gebracht und von dort aus in ein KZ deportiert, wobei auf dem Weg zum Bahnhof ihr Kind Lina von Passanten an einer Hauswand erschlagen wurde, sie selbst sahen ihren Heimatort nie wieder. 

Fred (Fritz) Kahn, der letzte noch Überlebende der Jüdischen Cultusgemeinde


Fred (Fritz) Kahn mit Rosa und Siegfried Nassauer   
 

Jahrzehntelang ist man im heutigen Taunusstein davon ausgegangen, dass mit dem Tod 1988 von Alex  Nassauer der  letzte Überlebende der Wehener Cultusgemeinde gestorben ist. Im Frühjahr 2007 meldete sich jedoch Fred Kahn bei der Stadt Taunusstein.
Die Eltern von Fred Kahn (als Fritz Kahn am 19. Dezember 1932 in Wiesbaden geboren) wanderten 1933 nach Belgien aus, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Ihren Sohn Fred gaben zu Tante und Onkel, dem kinderlosen Ehepaar Siegfried und Rosa Nassauer.

Am 30. September 1938 wurde das Münchner Abkommen unterzeichnet. Der Vater von Fred Kahn erkannte die Bedeutung des Abkommens und damit verbunden Risiken und bat deshalb Siegfried Nassauer seinen Sohn nach Belgien zu bringen. Siegfried Nassauer brachte Fred am 1. Oktober 1938 nach Aachen in die Obhut von Maria, einer deutschen Christin und Freundin der Familie Nassauer. Maria erhielt von Siegfried Nassauer seinen wertvollsten Besitz, eine goldene Taschenuhr, unter der Bedingung, dass sie an Fred Kahn ausgehändigt werden sollte, wenn ihm etwas zustoßen sollte. Maria brachte Fred an zur deutsch/belgischen Grenze. Nach anfänglichen Schwierigkeiten durfte Fred dann nach Belgien zu seinen Eltern ausreisen. Vier Jahre später wurden Siegfried und Rosa Nassauer in ein Konzentrationslager deportiert und dort getötet. Wie es Maria versprochen hatte, schickte sie Fred Kahn die goldene Taschenuhr seines Onkels. er hütet sie bis heute wie einen Schatz.


Uhr von Siegfried Nassauer  

Nach dem Krieg wanderte Fred Kahn mit seinen Eltern 1955 in die USA aus, wo er heute in Bethesda (Bundesstaat Maryland) seinen Ruhestand verbringt.


Der Jüdische Friedhof am Halberg

1329 wurde Graf Gerlach von Nassau-Weilburg das Recht zugesprochen, Juden in Wehen ansiedeln zu dürfen. Wann nun genau und wie viele Menschen jüdischen Glaubens erstmals in Taunusstein einen festen Wohnsitz fanden, ist nicht bekannt. Jedenfalls dürfte die Anlage des jüdischen Friedhofs an der Straße nach Orlen, am Halberg, dann auch in diese frühen Jahre fallen. Als Alter der Begräbnisstätte ist deshalb ungefähr 700 Jahre realistisch.

Der Jüdische Friedhof in Taunusstein Wehen kann als "Landfriedhof" bezeichnet werden. Dies weist sowohl auf die geographische Eingebundenheit, wie auch auf die bäuerlich-ökonomischen Voraussetzungen und die Bevölkerungsdichte in seinem Einzugsgebiet hin. Was die äußere Form der Anlage betrifft, gibt es hier keine Trauerhalle und auch sonst keinen architektonischen Schmuck, wie er bei den bäuerlichen Anlagen durchaus üblich war. Die langgestreckte Anlage ist nach Osten - also in Richtung Jerusalems - ausgerichtet. Hier sind heute noch 55 Grabsteine erhalten. Die Form des überwiegenden Teils der alten Grabsteine mit der einfach oder doppelt gerundeten Oberkante entspricht traditionell der in der Bibel überlieferten Form der Gesetzestafeln, wie sie Moses auf dem Berg Sinai in Empfang genommen haben soll. Die jüngsten Grabsteine dagegen erinnern an die Form von Obelisken - vielleicht eine Anspielung auf die historische und geographische Herkunft des Volkes Israel.

Die Inschriften sind teils in hebräischer Sprache und Schrift, teils in deutscher Sprache und lateinischer Schrift ausgeführt. Einige Grabsteine zeigen auf der nach Osten gewandten Seite den hebräischen, auf der nach Westen ausgerichteten Seite den deutschen Text.

Wie im westlichen Teil des Friedhofs erkennbar, haben traditionelle jüdische Gräber  keine Grabeinfassung. Die Einfassung der jüngeren Gräber - im östlichen Teil der Anlage - mit Umrandung und teilweise auch mit Grabplatte stellt eine Anpassung an christliche Begräbnisformen dar. Das Material der älteren Grabsteine ist ein hellroter bis ockerfarbener Sandstein. Für die jüngeren Steine fand ein Material aus der Gruppe der Granitsteine Verwendung. Ende des 18. Jahrhunderts hatte man den Friedhof mit einer steinernen Mauer eingefriedet. Diese Mauer soll jedoch auf den Druck der christlichen Gemeinde hin wieder abgebrochen worden sein. Die jetzige Einfriedung des Geländes mit eng bepflanzten Buchen wurde erst im 20. Jahrhundert angelegt. Noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg war der Friedhof über einen oberhalb des Gelände parallel verlaufenden Fahrweg mit Fuhrwerken erreichbar. Sicher ist, dass über den Zeitraum von Jahrhunderten Begräbnisse von Juden aus dem weiteren Umkreis der jetzigen Stadt Taunusstein hier stattfanden. Für das Recht die Stätte an diesem Ort unterhalte zu dürfen, hatte die Cultusgemeinde Wehen im Jahr 1749 eine Pacht von 15 Gulden an die Nassauische Landesherrschaft zu entrichten.

Bis in dieses Jahr wurden hier auch Juden aus Wiesbaden beigesetzt. Erst später erhielt die Wiesbadener Cultusgemeinde das Recht, einen eigenen Friedhof anlegen zu dürfen und wurde damit ebenfalls abgabepflichtig. Wie viele dieser Grabsteine hier einmal standen oder wie oft Gräber belegt wurden, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Es fällt auf, dass der äußerste westliche Teil des Friedhofs eine Freifläche ist. Man kann annehmen, dass auch dort einmal Gräber lagen. Die räumliche Lage der Grabzeichen lässt nur bedingt Rückschlüsse auf die Chronologie der Bestattungen zu. Die jüngsten Gräber und der mit Abstand älteste Grabstein stehen am östlichen Ende der Anlage beisammen.

Der jüngste Grabstein auf diesem Friedhof wurde 1933 gesetzt. Es handelte sich um die Beerdigung von Lina Petri, geb. Löwenstein, aus Breithardt. Die letzte Beisetzung aber soll 1939 vorgenommen worden sein. Zu diesem Zeitpunkt konnten jüdische Begräbnisse nur noch im engsten Kreis vollzogen werden. Die Aufstellung von Grabsteinen war zu diesem Zeitpunkt bereits verboten. Ob und wo sich dieses verborgene Grab hier auf dem Friedhofsgelände befindet ist nicht geklärt. Der hier gezeigte Grabstein der Fr. Petri wurde 1933 gesetzt und war wohl der letzte, der hier aufgestellt wurde.

Die kleinen Landfriedhöfe waren einmal durchaus keine Seltenheit. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen waren sie auf den Dörfern zu finden. Mit der Enteignung der Grundstücke und der darauf folgenden Umnutzung der Anlagen während der nationalsozialistischen Herrschaft verschwanden aber die meisten von ihnen aus den Augen und letztlich auch aus dem Sinn. Während die Wehener Synagoge in der Pogromnacht  vom neunten auf den zehnten November 1938, die lange Zeit verharmlosend als "Reichskristallnacht" bezeichnet worden ist, geplündert und zerstört wurde, blieb der jüdische Friedhof Wehens -aus ungeklärten Gründen - unbehelligt.

Der Tradition entsprechend sollen jüdische Friedhöfe ein Sinnbild der Vergänglichkeit darstellen, dass die Lebenden an die Vorläufigkeit  allen irdischen Daseins gemahnt. Aufwendige Grabpflege und besonderer Grabschmuck und -bepflanzung sind hier nicht vorgesehen. Solle ein Grabstein absinken oder umstürzen, wird er nicht wieder aufgerichtet. Als Zeichen des Totengedenkens wird lediglich bei jedem Besuch ein aufgelesener Kiesel auf die Oberkante des Grabsteins hinterlassen.

Seit 1971 wird die Anlage von der Stadt Taunusstein gepflegt. Zur Pflege der Stätte wird regelmäßig der Graswuchs gemäht. Die Überwucherung der Grabsteine durch Efeu wird soweit zurück geschnitten, dass die Inschriften lesbar bleiben. Durch diese regulierenden Eingriffe soll der Friedhof ganz bewusst nicht "herausgeputzt" werden. In Übereinstimmung mit der jüdischen Begräbniskultur soll damit lediglich der naturnahe Charakter des Ortes unterstrichen und erhalten werden.


Der Gedenkstein    

1983 ließ die Stadt Taunusstein einen Gedenkstein mit den Jahreszahlen 1933 - 1945 - 1983 für die Opfer der Gewaltherrschaft anfertigen. Zur feierlichen Aufstellung kam der frühere jüdische Mitbürger Alexander Nassauer (geb. 23.7.1920 Wehen - gest. Aug. 1987 New York) aus USA und hielt eine bewegende Rede im versöhnlichen Sinn des Shalom (Frieden). Die Inschrift auf dem Gedenkstein lautet: "als tägliche Mahnung an uns alle".