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Backes_zu_Hahn Die Geschichte der Gemeinde

Hahn im Taunus

von seinen Anfängen bis zur Stadtgründung Taunusstein 1971






Jägerheim Eiserne_Hand Aarstraße












Benediktinerkloster Sankt Ferrutius (späteres Ritterstift) in Bleidenstadt
Der alte Klosterbesitz hat in der Geschichte des Dorfes Hahn eine maßgebliche Rolle für die Entwicklung des Dorfes sowie einen der Schwerpunkte für das Tun und Lassen der Bevölkerung gespielt hat.

Ein Großteil geschichtlicher Überlieferungen zum Kloster St. Ferrutius basiert auf Sekundärmaterial. Originalunterlagen sind nur in wenigen Fällen vorhanden. Die (Original-) Kirchenchronik des Klosters gilt nach wie vor als verschwunden.

Anfang des 19. Jahrhunderts entschloss sich der Mainzer Professor und Stadtbibliothekar die Geschichte des Klosters St. Ferrutius Bleidenstadt etwas "aufzuarbeiten". Seine Veröffentlichung "Rheinische Altertümer" enthielt umfangreiche Materialien zum Kloster Bleidenstadt. Als Quelle nannte er ein "Bleidenstädter Traditionsbuch", einen "uralten Indiculus traditionum monasterii Blidenstatensis"

Nach dem Tod Bodmann's gelangten die Unterlagen in die Verwahrung von Friedrich Gustav Habel. Beide verstanden es zu Lebzeiten immer wieder geschickt, sich dem Begehren von Forschern, das "Bleidenstädter Traditionshandbuch" offenzulegen, zu entziehen. Erst sein Neffe Ludwig Conrady war 1867 bereit, im Nachlass nach den Dokumenten zu suchen, konnte aber keine Originale der "Traditionen" des Benediktinerklosters Bleidenstadt finden. Dagegen fiel ihm ein druckfertiges Manuskript des Regierungsrates und Archivars Georg Friedrich Schott in die Hände, der mit dem Werk "Origines domus Rhingravicae" den Nachweis führte, dass sein Arbeitgeber, der Fürst von SaIm-Kryburg, ein Nachkomme der alten Rheingrafen, mit den Nassauern verwandt und somit von "ebenso hohem Adel" sei.

Schott hatte seiner genealogischen Darstellung eine ganze Reihe von urkundlichen Belegen beigefügt, die "Diplomata Rhingravica", und in diesen "Diplomata" fanden sich nun die so sehr gesuchten "Bleidenstädter Traditionen", die Bodmann in seinem Werk benutzt und teilweise veröffentlicht hatte. Zeitgleich stellt Bodmann dem Rheingauer Urkundensammler Klindlinger Unterlagen zur Verfügung, von denen dieser wiederum Abschriften fertigte und veröffentlichte.

In Historikerkreisen kam man zu dem Schluss, dass Schott die "Traditionen" gekannt und daraus Abschriften vorgenommen hatte, Bodmann jedoch die Originale besessen haben musste, die nun verschwunden waren. Dieses Verschwinden hinderte freilich Constantin Will nicht daran, die Inhalte der Klingerschen Abschriften mit anderen Quellen zur Bleidenstädter Geschichte in "Monumenta Blidenstatensia" 1874 zu veröffentlichen und damit dafür zu sorgen, daß "diese Bleidenstädter Denkmäler in einem würdigen Gewande in die Öffentlichkeit" gebracht wurden. Unter den Quellen waren auch fünf Kaiserdiplome aus den Jahren 814 bis 1091, die Bleidenstadt betrafen und sich später als so wichtig erweisen sollten.

Eine nochmalige wissenschaftliche Aufwertung erfuhren die "Traditionen" durch die Aufnahme in das "Nassauische Urkundenbuch" von W. Sauer, der selbst glaubte, eine ganz sichere Spur von ihrem (den Bleidenstädter Traditionen) einstigen Vorhandensein gefunden zu haben. Er fand auf einer Schott´schen Abschrift einen (von Schott selbst stammenden) Beglaubigungsvermerk eines J. V. Fey, der 1738 bezeugte, dass er diese Urkunde aus einem im Kloster Gottesthal im Rheingau befindlichen Meßbuch der Abtei Bleidenstadt abgeschrieben habe und dass sie dort "unter anderem" stände. "Unter anderem", das waren für Sauer die "Traditionen", eine alte Handschrift - das Meßbuch. Und so verhalf er Schott und Fey "posthum" zu hohen wissenschaftlichen Ehren.

Erst bei Arbeiten an dem "Monumenta Germanieae historia" mit einr Zusammenstellung der alten Urkunden der Kaiser kamen Dr. Wirbel Bedenken, als er die fünf Kaiserdiplome für Bleidenstadt aufnehmen wollte, die er allerdings nur in den Abschrifen Schotts finden konnte. Da schon zuvor mehrere "Schott´sche Urkunden bedenkenlos aufgenommen worden waren", begann Wirbel zu prüfen und musste feststellen, dass alle Urkunden Fälschungen von Friedrich Georg Schott waren. Nachforschungen ergaben dann, dass Schott um seine genealogischen Forschungen zu schützen und seinem Arbeitgeber, dem Fürsten von Salm, als Nachkommen der alten Rheingrafen ein hohes Alter nachzuweisen, dazu notwendige Urkunden selbst ausgestellt hatte.

Wirbels Erkenntnisse wurden 1921 von Gottfried Zedler gerade in Bezug auf die "Bleidenstädter Traditionen" bestätigt. Sie waren Fälschungen und stammten aus der Feder Schotts.

Als notwendige Konsequenz mussste und muss nicht nur die nassauische Geschichte, soweit sie sich auf die "Bleidenstädter Traditionen" stützt, in diesen Teilen neu erforscht und geschrieben werden. Auch die Taunusstein Geschichte weist wieder viele dunkle Flecken auf, und bei der Verwendung von älterer Literatur wird man um eine ausgiebiege Quellenkritik nicht umhinkommen, wenn man vermeiden will, dass die "gefälschten Bleidenstädter Traditionen" auch heute noch in Festschriften oder sonstigen Publikationen Verwendung finden.



Sämtliche Literatur zu dem Kloster Bleidentadt ist sehr kritisch zu betrachten. Hat man sich doch im Laufe der Jahrhunderte immer wieder auf Sekundärquellen berufen, die nicht überprüfbar sind oder sich als falsch heraus gestellt haben. Auch wird wiederholt darauf hingewiesen, dass die Klosterunterlagen auf nicht erklärbare Weise verschwunden oder verbrannt sein sollen.

Tatsache ist, dass viele Geschichten zu dem Benediktinerkkoster St. Ferrutius nicht wahr sind oder nur dazu dienten, die Bedeutung des Klosters aufzuwerten.

Das Kloster (spätere Ritterstift) St. Ferrutius 

Die geistlichen Herren, welche alle von Adel sein mußten, scheinen im Besitze ihrer reichen Pfründe dem Namen ihres Ortes Ehre gemacht zu haben (Bleidenstadt, früher Blidenstadt von dem altdeutschen Worte "b l i d e n", welches so viel heißt "als lustig sein"), denn um das Jahr 1055 fand man es für notwendig, das Kloster zu reformieren. Es wurde ein Hirschauer Mönch - Heinrich - als Abt mit 12 Mitbrüdern in das Kloster St. Ferrutius geschickt. Er führte eine so strenge Ordnung ein, daß das Kloster als ein Kerker betrachtet wurde, in das man Mönche aus anderen Klöstern brachte, um sie zu bestrafen und zu bessern.

Im Jahre 1495 wurde das Kloster Bleidenstdt von Papst Alexander VI. säkularisiert, "weil die Mönche abermals aus ihrer Ordensregel gewichen waren", und in ein Ritterstift mit 4 Prälaturen (Probst, Dechant, Scholster und Sänger), 8 Kanonicaten und 10 Bicarien umgewandelt, wobei die Bestimmung gemacht worden war, dass die Canonici "von Rittermäßigen, die Vicarii aber von ehelichen Eltern entsprossen" sein mussten. Das Stift blieb übrigens, wie früher das Kloster, in geistlichen und weltlichen Dingen den Erzbischöfen von Mainz unterworfen. "Von den Einkünften war der vierte Theil sammt der Hälfte der vorhin dem Abte zuständigen Güter dem Probste angewiesen. von den übrigen frei Quart sollem jedem Vicarius 12 Malter Korn, 12 Säcke Haber und 1 Faß Wein greicht werden".

Im Jahre 1538 wurde die Probstei zu Bleidenstadt aufgehoben und die Bestätigung des Dechants geschah von dem Domcapitel zu Mainz. Der jeweilige Dechant war nicht nur Oberpfarrer des Stifts, sondern auch des Ortes Bleidenstadt, das  außerdem eine eigene Pfarrei hatte. Zu letzterer gehörten 14 Orte als Synodal-Filialen. Der Gottesdienst wurde in der isoliert liegenden St. Peterskirche (der jetzigen evangelischen Kirche) gehalten. Von der ehemaligen St. Peterskirche steht jetzt nur noch der Turm. Das Schiff zerfiel nach und nach und wurde erst 1854-55 aus den Mitteln der Gustav-Adolph-Stiftung neu aufgebaut.

1632 nahmen die Schweden das Stift weg, zerstörten die Stiftskirche und zogen die Einkünfte an sich. Die Geistlichkeit flüchtete nach Mainz, wo sie seitdem mit der des Albanstiftes Mainz vereinigt lebte.

1637 brannte das ganze Dorf Bleidenstadt mit allen Stiftsgebäuden nieder. Verschont wurde nur die St. Peterskirche, das Pfarrhaus und "ein Dörrgen".

Sämtliche zur Pfarrei Bleidenstdt gehörigen 14 Ortschaften nahmen nach der Reformation die lutherische Konfession an, nur Bleidentadt blieb katholisch. Eine kleine lutherische Gemeinde, die sich schon 1530 gebildet hatte, erhielt die St. Peterskirche zu ihrem Gottesdienst.



Die Legende vom Märtyrer Ferrutius

Der Legende nach war Ferrutius ein römischer Soldat, der im 3. Jahrhundert geboren und im 4. Jahrhundert in Mainz (Rheinland-Pfalz) gestorben sein soll. Einer Grabinschrift in Mainz zufolge soll Ferrutius dort als römischer Soldat zur Zeit des Kaisers Diokletian gelebt haben. Als Christ habe er ständig in Lebensgefahr geschwebt. Dennoch habe er zunächst für einige Zeit seinen Glauben unbehelligt ausüben können, bis ihn ein Unbekannter bei den römischen Behörden angezeigt habe. Daraufhin sei Ferrutius zum Tode verurteilt worden.

Erzbischof Lullus von Mainz soll die Gebeine des Märtyrers im 8. Jahrhundert in das von ihm gegründete Benediktinerkloster Bleidenstadt übertragen haben. Später wurde auch die Klosterkirche nach Ferrutius benannt.

Im dreißigjährigen Krieg seien die Reliquien zurück nach Mainz gebracht worden, wo sie in der Französischen Revolution angeblich verloren gingen.

Im Laufe der Jahrhunderte gab es keinen einzigen Beweis für die Richtigkeit dieser Geschichte. Viele Kirchenhistoriker (u.a. Wolfang Spikermann, "Religion in den germanischen Provinzen") gehen deshalb davon aus, dass sie erfunden ist. Trotzdem hält die katholische Kirche an dieser Legende fest und beruf sich auf . Viele Kirchenhistoriker gehen davon aus, dass man sich der Geschichte des "Ferrutius von Besancon" bedient hat. Im Gegensatz zu "Ferrutius von Bleidenstadt" ist diese Geschichte ist jedoch belegbar, sogar die Gebeine sollen vorhanden sein.

Es kann nicht rückblickend nicht bestritten werden, dass die Legende vom Märtyrer Ferrutius dem Kloster Bleidenstadt erhebliche Vorteile brachte.

Angeblich seien am Grabe des Märtyrers Ferrutius in Bleidenstadt Wunder geschehen. Dies lockte viele Christen an. Bleidenstadt wurde so zu einer der besuchtesten Wallfahrtsorte des 9. Jahrhunderts bis zur Reformation. Das Kloster erhielt von den Pilgern reiche Schenkungen, welche nach und nach zu einer Ausdehnung anwuchsen, wie wir sie bei wenigen Stiftungen der Art kennen. Fast in allen benachbarten Orten bekam es größere oder kleinere Besitzungen, besonders Weinberge in dem von der Geistlichkeit so hoch gehaltenen Rheingau.

In dem Schenkungsbuch des Klosters sind Weinberge aufgeführt in
  • Neudorf mit einem Wald und 4 Leibeigenen
  • Winkel mit einem Haus, 4 Leibeigenen und 6 Knechten
  • Geisenheim mit einem jährlichen Ertrag von 6 Zulast (Anmerkung: altes Volumenmaß in Nassau), 6 Leineigenen, "welche in dem Weinberge arbeiten und deren Weiber das Fischzeug waschen, auch eine jede 3 junge Hahne mit 12 Eiern in´s Kloster bringen mußte"
  • Rüdesheim, Bingen, Eberbach, Walluf, Aßmannshausen, Oestrich
Außerdem sind Güter aufgeführt in
  • Biebrich mit 4 Leibeigenen, von denen 2 zu Wasser und 2 zu Land arbeiten mußten.
  • Bärstadt, Kemel, Dörsdorf, Klingelbach, Strinz, Frauenstein, Katzenelnbogen, Breckenheimj, Wallau (das 1272 dem Kloster ganz gehörte), Stierstadt mit einem Walde ("in dem 200 Schweine eingeschlagen werden konten), Kostheim, Mainz, Diedenbergen, Homburg usw.

Die Legende von den Musterhöfen und sonstigen Wohltaten gegenüber der Bevölkerung

Immer wieder ist zu lesen, dass das Kloster, etwa im Sinne der weitgestreckteen Gründungsinteressen, mit der Errichtung von Gutshöfen eine Art Musterwirtschaft zur Belehrung der Bevölkerung oder zur Hebung von Ackerbau und Viehzucht bezweckt hat.

Dies ist bis heute unbewiesen. Irgendwelche maßgeblichen Urkunden bis ins 14. Jahrhundert fehlen. Im Gegenteil, aus den ältesten, noch vorhandenen Urkunden geht vielmehr hervor, dass die Benediktiner ihre Besitzungen nicht selbst bewirtschaftet haben, sondern sie "zu Lehen" gegeben haben.

Ziel war somit nicht die "Belehrung der Bevölkerung", sondern die Ertragsmaximierung zur Verpachtung und Zwangsabgaben der Bevölkerung, den Zehnten. Als Beweis für die umfangreichen Steuereinnahmen wird beispielhaft auf die Größe des Lehenshofes mit seiner Zehntscheune in Hahn verwiesen. Jeder Bauer der Getreide anbaute und war er noch so arm, musste dem Kloster den Zehnten abliefern.

Offensichtlich hatte das Kloster auch keine moralischen Bedenken gegen die Leibeigenschaft. Den Schenkungsbücher des Klosters ist zu entnehmen, dass das Kloster mit vielen Gütern und Weinbergen auch viele Leibeigene (belegt sind 18 Leibeigene) erworben hat. Es nicht belegt, das sie jemals aus ihrer Leibeigenschaft entlassen wurden.